Arbeitsprozess

Der Anfang
Die Beschreibung des Projekts, wie sie im Projektplan steht, hat sich im Lauf des Prozesses mehrmals verändert. Anfangs ist es mir nicht leichtgefallen, mich auf einen Stadtteil in Zürich zu beschränken. Ich wollte unbedingt ein neues Stadtviertel kennenlernen, auch eines, das vielfältig ist, also habe ich mich für den Kreis 4 entschieden.

So entwickelte sich folgende Leitfrage für meine Arbeit: Wie zeige ich meinen persönlichen fotografischen Blick auf den Kreis 4? 
Sobald jemand dieses Stadtviertel erwähnt, fällt mir als erstes der Begriff »Diversität» ein. Diese Diversität will ich mit meinen Bildern veranschaulichen. Auf folgende Frage wollte ich bei meiner Arbeit eingehen; Wie ermögliche ich einen Überblick und gleichzeitig ausgewählte Einblicke ins Quartier? 

«Strassenfotografie kann ja nicht so schwer sein», dachte ich mir als ich das erste Mal mit der Nokia Kamera, die ich von meiner Mutter ausgeliehen hatte, in den Kreis 4 loszog, um ein paar Bilder zu machen. Schnell merke ich jedoch, dass die Schwierigkeit darin liegt, die richtigen Momente einzufangen. Ich sehe eine Frau mit einem goldfarbenen Anzug, der sich perfekt mit dem Zebrastreifen ergänzt, doch im nächsten Moment ist sie schon auf der anderen Strassenseite verschwunden. Anfangs waren meine zwei einzigen Anhaltspunkte, das Quartierviertel und die Strassenfotografie. Deshalb war auch die erste Fotoserie, die ich machte, eher ein Ausprobieren. Ich bin in der Stadt herumgeschlendert und habe Dinge fotografiert, die mir ins Auge gestochen sind. Ein Sofa, das nicht mehr gebraucht wurde oder ein altmodischer Glacestand, ich knipste von allem Bilder.

Überblick
In der Nähe der Tramstation Stauffacher gibt es ein Gebäude mit einem grossen verglasten Aufzug. Dies erinnerte mich an ein Zitat von David Gibson, welches ich in seinem Buch las;

 «Wo wir fotografieren, ist so wichtig wie, was wir fotografieren: unterschiedliche Sichtweisen auf die Strasse sind entscheidend.» So dachte ich mir, weshalb verschaffe ich mir mit dem Aufzug nicht mal einen Überblick über das ganze Geschehen auf den Strassen? Was mir an denen auf diese Weise entstandenen Bildern so gefällt ist, dass ich einen völlig anderen Blickwinkel habe. So entstand der erste Teil meiner Fotoserie zum Thema Überblick.

Einblick
Während meiner eigenen fotografischen Arbeit fand zur gleichen Zeit eine Fotoausstellung in der „Roten Fabrik“ statt. Schüler und Schülerinnen der F&F Schule haben dort ihre Fotoprojekte zum Thema «Geheimnisse» ausgestellt. Eine Arbeit dort fasziniert mich besonders. Es sind heimlich gemachte Fotos in unterschiedliche Zimmerfenster hinein. In einem Fenster hat man einen Einblick in das Bad, auf dem ein riesiger Vorrat an Klopapier zu sehen ist, welcher wahrscheinlich noch aus Lockdown Zeiten stammt. Auf einem anderen Bild ist die Silhouette einer weiblichen Person zu erkennen, welche sich gerade die Zähne putzt. 

Ich habe mich von dieser Arbeit inspirieren lassen und bin am gleichen Abend noch in die Stadt gefahren, um Fotos zu machen. So stellte ich mir immer wieder die Frage:“Was spielt sich hinter verschlossenen Türen ab?“
Sobald es dämmert, hat man einen völlig anderen Einblick in das Leben der Menschen.

Die Lichter in den Häusern gehen an, immer mehr Leute kommen von der Arbeit oder von der Schule nach Hause und machen es sich in ihren Wohnungen gemütlich. Dies möchte ich festhalten, ohne zu sehr in die Privatsphäre von anderen Menschen einzugreifen.
Für mich bedeutet einen Einblick zu haben, verschiedene Stimmungen und Szenen festzuhalten und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen.

Gesetzliche Grauzone
Den Grat zwischen Stalkerin und Fotografin zu finden ist nicht einfach.  Dementsprechend musste ich mich natürlich informieren, ob das was ich tue auch legal ist.  

Laut Gesetz ist es erlaubt Fotos von Menschen an öffentlichen Veranstaltungen zu machen, ohne Zustimmung der jeweiligen Person. Dies jedoch, solange keine Person besonders herausgehoben bzw. das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt wird. 
Die Panoramafreiheit erlaubt einem auch Fotos von öffentlichen Grundstücken frei zu fotografieren. Anders sieht es aus wenn man ins Innere eines Gebäudes geht und fotografiert, da braucht man immer eine Zustimmung. Für meine Überblick Fotostrecke ist dies also gesetzlich ziemlich genau geregelt. 

Anders sieht es für die Einblick Fotostrecke aus, da ist das ganze etwas komplizierter. 
Gesetzlich ist es erlaubt, Fotos von einem Grundstück zu machen, solange man sich auf öffentlichem Boden befindet. Nicht erlaubt ist es, von draussen in ein offenes Fenster zu fotografieren. Allerdings sind meine Fotos immer durch geschlossene Fenster entstanden.  Auch habe ich bei den Fotos darauf geachtet, dass die Personen nicht erkennbar sind und somit das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt wird. Dennoch befinde ich mich bei diesen Bildern möglicherweise in einer Grauzone und muss aufpassen, was ich mit diesen Bildern mache. 

Grundsätzlich gilt, solange die Bilder im privatem Gebrauch bleiben, ist alles erlaubt.